Die Sensibilisierung der Schweizer KMUs in Sachen Verwaltungsratszusammensetzung und -tätigkeit ist sehr unterschiedlich. Es lässt sich weder ein Zusammenhang mit der Unternehmensgrösse, noch der Komplexität oder dem Tätigkeitsgebiet feststellen. Grundsätzlich kann aber beobachtet werden, dass je aufgeschlossener ein KMU bezüglich der Thematik ist, auch die Qualität der gelebten VR-Praxis zunimmt.
Viele Unternehmen reduzieren die Verwaltungsratszusammensetzung auf die Nachfolgeregelung und sehen ansonsten keinen Grund, sich tiefer damit auseinanderzusetzen. Deshalb befinden sich in einem überwiegenden Teil der KMU Verwaltungsräte Familienmitglieder oder Mitarbeiter, die bereits als Nachfolger integriert werden. Externe VR-Mitglieder werden selten eingebunden. Dies aus Kostengründen oder um Informationen nicht preisgeben zu müssen. Allgemein besteht ein grosser Unterschied zwischen dem, was die KMUs als optimale VR-Zusammensetzung ansehen und dem, was sie tatsächlich leben. Dies betrifft insbesondere die Integration einer Aussenperspektive im VR, die momentan nicht vorhanden ist, aber als optimal angesehen wird. Es zeigen jedoch nur ganz wenige Unternehmen Anzeichen, dies zukünftig zu ändern. Weiter zeichnet sich auch ab, dass viele KMUs zu geringe Anforderungen bezüglich Fähigkeiten und Kompetenzen an ihre VR-Mitglieder stellen.
Die VR-Tätigkeit wird vermehrt auf eine Sitzung pro Jahr reduziert. Obwohl das strategische Management von einem Grossteil der KMUs als zentrale VR-Aufgabe wahrgenommen wird, wird es vermehrt mangelhaft ausgeführt. Zukünftige Thematiken des Führungsgremiums dürften in den Bereichen der Personalpolitik liegen, da die KMUs den Fachkräftemangel bereits jetzt stark spüren. Durch den starken Wettbewerbsdruck wird in nächster Zeit teilweise auch der Beurteilung des Marktumfeldes mehr Beachtung geschenkt, insbesondere im Sinne der Auftragsakquisition und des Marketings. Noch zeigt sich hier ein reaktives Verhalten: Es wird erst am Problem gearbeitet, wenn es schon eingetreten ist.
Gefragt ist aber ein proaktives Verhalten. Der Markt wandelt sich schneller, die Vernetzung der Unternehmen mit ihrem Umfeld nimmt zu – auch für KMUs. Eine Aussenperspektive in der VR-Zusammensetzung ist unabdingbar, um die Impulse vom Markt auch ausserhalb der eigenen Perspektive wahrzunehmen und Betriebsblindheit zu vermeiden. Vorausschauende VR-Tätigkeiten, wie die Strategiearbeit, sind für KMUs essentiell, damit sie sich langfristig erfolgsversprechend positionieren können.
Wer aufgeschlossen ist und den Sprung in die Umsetzung einer soliden VR-Praxis schafft, wird die Nase vorn haben.